Wie viel Energie kosten uns Kaufentscheidungen und wie künstliche Intelligenz helfen kann

Im Jahr 2000 ließen Amerikanische Forscher zwei Gruppen von Probanden Marmelade verkosten [1]. Ihr Ziel: untersuchen, wie sich zu viel Auswahl auf den Verkauf auswirkt. Am Ende ihrer Studie war klar, dass viele Regeln im Verkauf und Vertrieb neu geschrieben werden müssen.

Beitrag: Phillip Wissgott.

Kleidung, Essen, Reisen, Freizeit? Menschen treffen über 20.000 kleinere und größere Entscheidungen jeden Tag. Mit einer Entscheidung ist immer eine Auswahl von zumindest 2 Alternativen verbunden, oft gibt es aber auch hunderte Produkte – was es nicht gerade leichter macht eine Wahl zu treffen.

Wer kennt nicht das Gefühl, von so einer Produktauswahl überwältigt zu sein? Übersehe ich etwas? Habe ich alle Optionen im Blick? Soll ich die Entscheidung später treffen? Das Verschieben von Kaufentscheidungen ist wahrscheinlich der größte dämpfende Faktor für den Konsum. Oder anders formuliert: Hilf dem Kunden das Zögern beim Kauf zu überwinden und du steigerst den Verkauf um einen riesigen Faktor.

Wie laufen (Kauf-)Entscheidungen im Gehirn ab? Jede Auswahl kostet “Denkenergie” und Konzentration und zapfen den täglichen Vorrat davon an, den jeder Mensch zur Verfügung hat. Apple-Gründer Steve Jobs hatte eine elegante Lösung, um Energie zu sparen: Indem er jeden Tag faktisch dieselbe Kleidung trug, argumentierte er, könne er sich ganz auf die relevanten Entscheidungen des Tages konzentrieren.

Für einen Händler stellt sich dabei die Frage: Wann kommen die Kunden zu mir in den (Online-)Shop? Wenn es mehrheitlich abends nach der Arbeit ist, werden Kunden ihre  “Entscheidungsenergie” bereits ziemlich aufgebraucht haben. Dies sollte man jedenfalls in der angebotenen Kaufberatung berücksichtigen. Wenn Entscheidung so viel Energie
kostet, wie kommen Menschen dann überhaupt durch den Tag? Glücklicherweise sind die meisten Entscheidungen “Formsache”: Welchen Weg nehme ich, wenn ich meine Kinder in den
Kindergarten bringe? Überall wo wir Erfahrung haben, fällt uns eine Wahl leicht.

Als Experte können wir Vor- und Nachteile schnell analysieren – viele dieser Entscheidungen laufen dann gänzlich unterbewusst ab. Ins Zögern kommt man also nur, wenn man sich nicht so gut auskennt. Der Kunde ist in den meisten Bereichen seines Einkaufs kein Experte? Das ist glücklicherweise für den Handel nichts Neues. Ausgewählte Angebote und persönliche Beratung vor Ort – nah am Kunden dran sein, seine Bedürfnisse verstehen und Empfehlungen anbieten. Nur was, wenn der Kunde nicht ins Geschäft, sondern online einkaufen will? Im Online-Geschäft kommen einige Gründe zusammen, die eine gute (digitale) Beratung noch wichtiger machen:

  • Kunden haben weniger Zeit und wollen schneller einkaufen.
  • Das Sortiment ist meist größer, da man räumlich nicht durch die Geschäftsfläche begrenzt ist.
  • Kunden können den Online-Shop viel einfacher “verlassen” als ein echtes Geschäft.

Aber ist eine gute Entscheidungshilfe beim Online-Kauf überhaupt möglich? Obwohl eine redaktionelle Vorauswahl von Produkten auch online denkbar ist, kann sie leider nicht auf die persönlichen Bedürfnisse von Kunden eingehen.

Eine wirklich zielgerichtete Kaufberatung kann deshalb nur automatisiert, meist durch künstliche Intelligenz (KI), durchgeführt werden. Aber kann sich KI-unterstützte Entscheidungshilfe wirklich mit persönlicher Beratung messen? Während das direkte Gespräch zwischen MitarbeiterIn und Kunde auf emotionaler Ebene unübertroffen ist, hat die KI einige entscheidende Vorteile:

  • Die KI kann jederzeit das gesamte Sortiment überblicken.
  • Die KI kann sich individuelle Bedürfnisse und Vorlieben aller Kunden merken und jederzeit ins Spiel bringen.
  • Die KI kann Kunden- und Händlerinteressen zu jedem Zeitpunkt berücksichtigen und für jede Kaufentscheidung den optimalen, individuellen Vorschlag machen.
  • Die KI kann die optimale Auswahl Angeboten zu jeder Tageszeit und innerhalb eines Augenblicks berechnen.

Obwohl KI somit viele Chancen im Online-Handel bietet, sind die Qualitätskriterien guter KI in den letzten Jahren dramatisch gestiegen. Kunden haben einfach nicht mehr die Geduld, schlechte Kaufberatung zu akzeptieren – insbesondere, wenn der nächste Shop nur einen Klick entfernt ist. Und ist das Vertrauen in Produktvorschläge oder Ähnlichem mal verloren, kann man es als Online-Händler nur schwer wieder zurückgewinnen.

Welchen Effekt hat der Einsatz von KI auf den Händler? Beim größten Online-Händler Amazon generieren Produktempfehlungen allein 35% des gesamten Umsatzes [2]. Ein kluger Einsatz von KI kann schon mal zu einer Verdopplung der Klick-Conversion führen.

Dafür notwendig ist neben einer guten KI aber auch ein tiefes Verständnis des Kunden, der den Online-Shop besucht.Sind wir bereit für eine KI, die unsere Bedürfnisse versteht und unsere Entscheidungen autonom unterstützt? Obwohl es in einigen Bereichen, oft auch berechtigte Kritik am Einsatz von KI gibt, ist die Entwicklung insbesondere im Online-Handel wohl nicht aufzuhalten. Zu viel einfacher und angenehmer ist das Einkaufen mit KI-Unterstützung. Laptop, Waschmaschine, Saugroboter. Kein Mensch kann Experte in allen Konsumbereichen werden und darüber hinaus noch allen Marktentwicklungen und Innovationen folgen.

Künstliche Intelligenz, die mein Wunschprodukt findet und mich bei der Kaufentscheidung berät? Diese Technologie muss nicht immer von großen (amerikanischen) Unternehmen kommen. In Österreich entwickelt danube.ai KI, bei der individuelle Kundeninteressen im Vordergrund stehen. Das Ziel ist es, KI möglichst vielen Unternehmen in Österreich zugänglich zu machen und ihnen so einen Wettbewerbsvorteil zu ermöglichen. Und was passierte bei der eingangs erwähnter Verkostung von Marmeladen? Eine Gruppe verkostete 6, die andere 24 Produkte – den TeilnehmerInnen wurde danach angeboten, eine Marmelade zu kaufen. In der Gruppe mit 6 Marmeladen entschieden sich 12% für den Kauf. Von den TeilnehmerInnen, die 24 Produkte verkosten durften, kauften am Ende nur 1,8% eine Marmelade. (PW)

LOGISTIK express Ausgabe 5/2022

 

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