eCommerce boomt, aber Österreich hat (fast) nichts davon

Die Lockdowns haben dem eCommerce einen Boost verpasst, der teilweise immer noch anhält. Black Friday und Cyber Monday begeistern Massen. Das Problem: 75 % der Paketmengen kommen aus dem Ausland, die Kaufkraft fließt ab. Schaffen wir uns mit dem Kaufverhalten selbst ab?

Redaktion: Angelika Gabor.

Kauf Regional! „Proximus sum egomet mihi“ – frei übersetzt: jeder ist sich selbst der Nächste – schrieb der antike Komödiendichter Terenz. Die Auswirkungen sind allerdings weniger komisch. Knapp 400.000 Menschen arbeiten in Österreich im Einzelhandel. Viele der heimischen Ketten bieten inzwischen auch Onlineshops, Lieferung oder Abholung im Geschäft an. Aber gerade angesichts der hohen Inflation und gestiegenen Lebenserhaltungskosten sehen sich immer mehr Konsumenten gezwungen, das billigste Angebot zu wählen – und das findet sich leider viel zu häufig bei Amazon.

Die Ersparnis des Einzelnen kann uns aber bald alle teuer zu stehen kommen, denn wenn die Kaufkraft abfließt, gehen Arbeitsplätze im Inland verloren. Das Sozialsystem wird weiter belastet, die Gesamtkosten für alle steigen. Dabei gibt es genug heimisches Angebot: „Rund 9.000 Händler betreiben bereits aktiv einen Webshop, das ist mehr als ein Drittel aller Händler in Österreich“, erklärt Rainer Will, Geschäftsführer des Österreichischen Handelsverbands. Die gerade eben präsentierte eCommerce-Landkarte gibt einen Überblick darüber, wer was wo online anbietet, Dienstleister inklusive.

Extreme Volatilität.
Nach einem Allzeit-Ausgabenhoch im Onlinehandel 2021 – die privaten Haushaltsausgaben überstiegen erstmals 8,315 Milliarden Euro – verlief das Jahr 2022 deutlich schaumgebremst. „In den Jahren 2020/2021 war der stationäre Handel 152 zumindest teilweise im Lockdown, die hohen Umsätze waren die logische Folge. Und auch die aktuelle Delle ist durchaus verständlich, wenn man die Zahlen im 3-Jahres-Kontext sieht, dann liegt das durchschnittliche Wachstum noch immer bei 9 Prozent“, ist Harald Gutschi, Geschäftsführer der UNITO/OTTO Gruppe, durchaus zufrieden.

Gerade wurde sein Unternehmen als nachhaltigster Möbelhändler Europas ausgezeichnet, außerdem bietet die Gruppe durchaus erfolgreich Amazon die Stirn. Das Problem: in Erwartung, dass die Lieferkettenprobleme anhalten und der Onlinehandel wieder zweistellig zulegt, haben sich viele Händler große Mengen auf Lager gelegt. Dann kamen jedoch der Krieg und die Inflation, angesichts eines Reallohnverlustes von durchschnittlich vier Prozent sparen die Menschen. Als einziger Ausweg findet – beispielsweise in der „Black Week“ – eine wahre Rabattschlacht statt, um die Lager zu leeren, und das auf Kosten der Margen.

„Auch wir bei OTTO haben doppelt so viel gekauft wie 2021, aber in manchen Bereichen kaufen die Leute fünf Mal so viel, und wir können den Bedarf gar nicht decken“, so Gutschi. Das gelte insbesondere für Öfen, Infrarotheizungen, Heizlüfter, Elektrodecken und Trachtenmode, aber auch klimafreundliche Geräte, die insbesondere nach Auszahlung des Klimabonus vermehrt bestellt wurden. Und: „Brennholz ist das neue Klopapier.“ (es wird gehortet, Anm.) „Ohne künstliche Intelligenz wäre es unmöglich, den Kunden die Ware zur Verfügung zu stellen, das Kundenverhalten ist teilweise wirklich nicht vorhersehbar“, meint Gutschi. Und weiter: „Das Beste am Jahr 2022 ist, dass es bald vorbei ist.“ Dann jedoch könne man durchaus wieder optimistisch Richtung 2023 blicken: „Die Monate bis zum Ende des Winters werden noch anspruchsvoll, aber danach wird die Sonne wieder aufgeh’n.

Ab Mitte 2023 werden dann sinkende Inflationsraten auf steigende Kaufkraft treffen und wir bekommen die Probleme in den Griff.“ Zudem rechnet er mit einer leichten Rezession
– allerdings bei quasi Vollbeschäftigung. Sinkende Transportpreise aus Fernost und Rohstoffpreise auf Vor-Corona-Niveau werden ihr Übriges tun. Gutschi: „Wenn geopolitisch alles in Ordnung ist, wird 2023 ein richtig gutes Jahr für den Handel.“

Angebot hofft auf Nachfrage
Der Marktanteil der Post am Paketmarkt in Österreich beträgt im B2C Bereich rund 62 Prozent. Durch den flächendeckenden Ausbau des Zustellnetzes gewinnt Amazon ständig Anteile hinzu. „Aktuell stagniert der Paketmengenanteil aus dem Ausland“, erklärt Peter Umundum, Vorstand Paket & Logistik Österreichische Post AG. 2021 wurden in Österreich laut Branchenradar.com stolze 139 Millionen Pakete an Privathaushalte zugestellt. Nach einem schwachen 1. Quartal 2022 wird wieder deutlich mehr bestellt – aber halt eben im Ausland. Umundum verspricht sich daher viel von der eCommerce-Landkarte: „Händler erhalten damit einen kompakten Überblick zu rot-weiß-roten Dienstleistern im Onlinehandel.“

Die neue Online-Plattform präsentiert die 160 führenden heimischen eCommerce-Dienstleister in den 11 Bereichen Shop-Systeme; Shop-Verzeichnisse; Marktplätze & Plattformen; Payment; Bonität, Identität & Loyalty; Fulfillment; Zustellung; Analytics; Kundenservice; Gütesiegel & Rechtssicherheit sowie Enterprise & B2B Partner. Das Ziel: die Österreich-Quote im eCommerce anheben. Zumindest kann nun niemand mehr behaupten, es gäbe keine Alternative – bleibt zu hoffen, dass es funktioniert. (AG)

LOGISTIK express Ausgabe 5/2022

 

Translate »