China: Veränderte Technologietrends durch Covid

Die Pandemie fungiert im Land der Mitte u. a. auch als Beschleuniger für Technologien wie 5G, UHD-Streaming, KI und Robotik. E-Commerce und zugehörige Trends expandierten ebenfalls enorm.

Redaktion: Dirk Ruppik.

Die Corona-Pandemie hat nicht nur Lieferketten unterbrochen, den Reiseverkehr lahmgelegt und die Wirtschaft der Länder nachhaltig geschädigt, sondern sie fungiert auch als Katalysator für verschiedenste neue Technologien. Die Covid-Krise beschleunigt die Digitalisierung im Land der Mitte. Digitale Geschäftsmodelle und Technologien wie Online-Essenslieferung und Apps für Mitfahrgelegenheiten spielen eine große Rolle bei der Milderung der sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie.

E-Commerce und Technologietrends expandieren enorm.
Weltweit nahm durch die Angst vor Ansteckung und Lockdowns der Online-Handel enorm zu. Gewinner in China waren wie in Deutschland die Bereiche Lebensmittel-Onlinehandel sowie Güter des täglichen Bedarfs. In der Volksrepublik expandierte der Online-Anteil am Einzelhandelsumsatz in 2020 laut Statista auf 44 Prozent (Vorjahr 36,6 Prozent). Für 2021 werden 50,5 Prozent prognostiziert. Im Bereich des E-Commerce gewannen Trends wie Livestreaming und vermehrtes Influencer-Marketing an Fahrt. Ein Beispiel ist das chinesische Kosmetikunternehmen Lin Qingxuan (1), das nach weitreichenden Schließungen von Läden durch Covid kurzerhand alle Schönheitsberater aus diesen Läden zu Influencern ausbildete. Dadurch stiegen die Umsätze um 200 Prozent gegenüber dem Vorjahr. In einer Umfrage der S&P Global Market Intelligence (2) gaben 66 Prozent der Befragten an, dass sie mehr Produkte während der Pandemie online kaufen. Die bedeutendsten chinesischen Internet-Plattformen sind Alibabas Taobao und Tmall, JD.com Incs Jingdong Mall und Pinduoduo. Alibaba und JD nutzen insbesondere ihr Know-how in 5G-Technologie, Künstliche Intelligenz und Robotik, um innovative Lieferoptionen anbieten zu können. Zudem ist im Lande das digitale Bezahlen via mobiler Bezahlplattformen wie WeChat Pay und Alipay weit verbreitet, was die Verlagerung von Offline- zu Online-Einkäufen via Handhelds in der Pandemie sehr begünstigte.

Innovative E-Commerce-Trends prägen den Markt.
Viele neue E-Commerce-Trends (3) erobern im Land der Mitte den Markt und können durchaus eine Vorbildfunktion für andere Länder haben. Zu den Trends gehören der Wandel vom Key Opinion Leader (KOL)- zum Key Opinion Consumer (KOC)-Marketing, Livestreaming, Kurzvideos und Kurzvideo-Apps, Gruppenkäufe z. B. via Pinduoduo, Social Commerce, Nutzung von exklusiven Clubs oder z. B. WeChat-Gruppen, Omnichannel Marketing, kanalübergreifende Nutzung von Big Data und KI, Verwendung von mobilen Bezahlplattformen und Nutzung von Fintech-Angeboten, grenzüberschreitender E-Commerce, Fokus des E-Commerce und New Retail auf kleinere und mittlere Städte und nicht zuletzt die Einführung des digitalen Yuans. KOC oder zu Deutsch auch Hauptmeinungs-Konsumenten sind „normale“ Kunden die Produkt-Rezensionen und Empfehlungen als Video- oder Blog-Post erstellen. KOC sind Influenzer, die den Vorteil der Authentizität genießen. Man könnte das Ganze auch als Beziehungsmarketing (Teil des Social Commerce) beschreiben. Kunden sind ständig auf der Suche nach authentischen und vertrauenswürdigen Empfehlungen und Ratschlägen.

Chinesen lieben virtuellen Stadtbummel.
Ein wichtiger E-Commerce-Trend ist die digitale Nachahmung des klassischen Stadtbummels, die am besten durch die Nutzung von Social Commerce und Livestreaming erreicht wird. Mehr als 300 Millionen Chinesen nutzen bisher Kurzvideo-Apps wie Douyin und Kuaishou. Käufer, die jünger als 35 Jahre sind und aus Haushalten mit mittleren bis hohen Einkommen in größeren Städten kommen, nutzen meist dieses Medium. Der E-Commerce Trend wird durch die Tendenz zu mehr packenden Video-Inhalten und FOMO (Fear Of Missing Out) angetrieben. Komplettiert wird das ganze durch die Möglichkeit der Ein-Klick-Bestellung. Eine weitere interessante Entwicklung ist der Trend zu Gruppen-Käufen z. B. auf Pinduoduo. Dabei hat jedes Produkt bei Pinduoduo zwei Preise – einen für den Einzelkauf und den zweiten für den Gruppenkauf z. B. mit einem Freund. Mit jeder weiteren Person reduziert sich der Preis weiter. Dadurch werden Kunden motiviert, ihre Käufe auf Social Media-Plattformen zu teilen und weitere Käufer zu finden. Generell zeigt der chinesische Käufer ein stark mobiles Konsumverhalten. Die meisten Chinesen kaufen mittels Smartphone bzw. Tablet. 80 Prozent des Kaufvolumens des Online-Einzelhandels wird auf mobilen Geräten generiert – weltweit liegt der Schnitt bei 64 Prozent.

5G ist Schlüsseltechnologie für viele neue Anwendungen.
Zu Beginn der Pandemie entwickelten Firmen wie China Mobile Ltd., China Unicom (Hong Kong) Ltd. und China Telecom Corp. Ltd. viele 5G-gebundene Technologien wie Desinfektions-Roboter und Wärmebildkameras mit Scannern. Der Erfolg dieser Technololgien führte zu einem großen Interesse an 5G und entsprechenden Technologien. 93 Prozent der durch S&P Global befragten Personen bekundeten ein Interesse auf 5G umzusteigen. Insgesamt zeigten 31 Prozent ein sehr großes Interesse. Besonders Internet der Dinge (IdD)-gebundene Systeme für die Haussicherheit zogen das größte Interesse auf sich. Trotzdem sind 76 Prozent der Befragten über die Sammlung von Daten und den Verlust ihrer Daten via IdD besorgt. Nur drei Prozent glaubten, dass ihnen IdD keinerlei Nutzen bringt. Während der Lockdowns wurde die Betrachtung von Live-Videos im Land der Mitte zum beliebten Zeitvertreib. Viele Sender strahlten Virtual Reality-Videos live in Ultra-HD-Qualität via 5G aus. Beispielsweise wurde die Kirschblüte in Parks live gestreamt, um ein virtuelles Naturerlebnis für zuhause zu kreieren und so die Lockdowns erträglicher zu machen. (DR)

Quelle: LOGISTIK express Journal 4/2021

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